Kunst ist Kampfsport -
Theorie vs. Praxis
Performance, 2023, Gemeinschaftsarbeit mit Maxim Himmelspach und Emil Heiligensetzer als Moderator
Kunst ist Kampfsport
Die Arbeit Kunst ist Kampfsport ist eine Kooperation Bosserts mit dem Künstler und Kunstwissenschaftler Maxim Himmelspach, die mit dieser Performance beide ihre Auszeichnung mit dem Deutschlandstipendium zelebrieren. Allerdings tun sie das auf unkonventionelle und nicht unkritische Art und Weise. Sie nutzen die Auszeichnung als Anlass, um den Kampf um Exzellenz auszuweiten. Nun geht es nicht mehr darum, sich gegen die anderen Anwärter des Stipendiums zu behaupten, sondern gar den Kampf von Theorie gegen Praxis auszurufen und ad absurdum zu führen. Bossert und Himmelspach tragen einen moderierten Zehnkampf aus – die Disziplinen sind: ein Buchstabierwettbewerb, einen Maßkrug Bier leer trinken, die Präsidentin der Hochschule portraitieren, ein kunstwissenschaftliches Quiz, Seilspringen, ein Rennen mit Hornbachwägen, Schere-Stein-Papier, Nägel ins Holz schlagen, Socken-Catchen und eine Weinflasche ohne Korkenzieher öffnen. Die Einzelkämpfe sind genauso klamaukig wie die Prämisse des Kampfes: zu entscheiden, ob Theorie oder Praxis besser sei.
Vor dem Hintergrund des renommierten Deutschlandstipendiums, das für die Studiereden eine große finanzielle Unterstützung bedeutet, zeigt sich auch das institutionskritische Potential des Kampfes. Die Verballhornung des Stipendiums durch die zwei Ausgezeichneten, ist in einem ersten Schritt nichts anderes als die Anerkennung, dass das Stipendium bedeutsam ist. Andernfalls gäbe es keinen Anlass zur Kritik, die im zweiten Schritt geäußert wird – nämlich: die Undurchsichtigkeit und gefühlte Willkür der Vergabe auf Seite der Studierenden.
Die Disziplinen nehmen in diesem Licht eine neue Qualität an. Der Buchstabierwettbewerb zum Beispiel ist Zeichen sicherer Orthografie, die bei jeder Bewerbung nötig ist, Schere-Stein-Papier ist ein Glücksspiel, um einen Korken ohne Korkenzieher aus einer Weinflasche zu holen, braucht es Kreativität, das Quiz erfordert fachspezifisches Wissen. Damit sind Qualitäten bezeichnet, die im Studium allgemein, aber auch in Bewerbungsprozessen um Stipendien hilfreich und manchmal sogar nötig sind. Das Nageln könnte ein Seitenhieb in Richtung Hubert Aiwangers sein, der einmal forderte, in Bayern solle niemand sein Abitur bekommen, wenn er nicht einen Nagel in ein Stück Holz schlagen kann. Bossert und Himmelspach äußern sich kritisch zu den Anforderungen und Kompetenzen, die von ihnen erwartet werden und werfen die Frage auf, ob nicht beides geht: Kompetenz und Klamauk.
Am Ende gewann mit Bossert die Praxis, klar wurde jedoch, dass es um all das davor ging.
-Moriz Hertel
Fotos und Plakat: Domingos de Barros Octaviano