Kartoffel
2023, Bronze, deutsche Kartoffel
ca. 13cm x 9cm x 9cm
Die Heimatküche, ein fragiles Konstrukt
Geht es um die deutsche Kulinarik ist man im Ausland häufig verwundert mit welch einer Selbstverständlichkeit die Krauts über ihr Essen streiten. Beim Leibgericht, so scheint es, wird diskutiert als müsste man seinen eigenen Leib verteidigen.
Jüngst erklärte Markus Söder Leberkäse, Weißwürste und andere Fleischwaren zu Symbolen mit Verfassungsrang. Man könnte meinen, dass Gustatorische ist das identitätsstiftende Mittel schlechthin. Jemand, der in einem Land geboren ist, das sich vom Grünkohltiefland bis zum Weißwurst–Äquator erstreckt und unter dem Schisma der schwäbischen und Thüringer Klöße leidet, hat mit der Muttermilch aufgesogen sich kulinarisch zu positionieren.
Gefeit gegen alle Einflüsse gibt es eine Sache, die Veganer wie Karnivoren, Nord- und Süddeutsche sowie Alt und Jung zusammenschweißt: Die Kartoffel.
Laura Bossert setzt der deutschen Kartoffel ein humorvolles Denkmal, das jeder Kritik resistent ist. Sie ist hitze- und wasserbeständig und für die Ewigkeit gegossen.
Hoffnungsvoll legt Bossert ins Innere den eigentlichen Kern der Arbeit: Die reale Knolle als Artefakt und Anleitung für eine Zukunft. Alle Kartoffeln entstehen aus einer Mutterknolle – auch die aus Bronze. Bossert weiß, dass Kunst mehr als reine Materialität bedeutet. So edel und geschichtsträchtig Bronze in der Bildhauerei auch sei, würde reiner Materialfetisch über das wichtigste hinwegsehen: Langsam aber sicher wird die Kartoffel Risse bekommen und dann wird eine braune und stinkende Brühe freigesetzt werden.
-Maxim Himmelspach