Suppe

Performance, 2023

Badewanne, Tisch, Stühle, Teller, Löffel, Messer, Suppenzutaten, Feuerschale, Feuerholz

Suppe

In einem geschotterten Hof steht auf Betonstützen eine mit Wasser und Suppengrün befüllte Badewanne über einer Feuerstelle, dahinter: eine weiß-gedeckte Tafel. Dann tritt die Künstlerin auf, entkleidet sich gänzlich und steigt in die Wanne, wo sie das Gemüse mit einem Schneidteufel zerkleinert und den Sud mit ihrem Körper anreichert.

Sofort wird klar: irgendwann wird zu Tisch gebeten. Während die Beiwohnenden noch Abstand halten, bereitet Bossert unbeirrt die Suppe zu. Aus der Ferne sieht es so aus, als säße da jemand in der Badewanne und wüsche sich. Und tatsächlich erinnert die archaische Konstruktion von zwei Böcken mit aufliegendem Behälter und Feuer an sowohl das Kochen als auch das Waschen. Bossert kombiniert beides und schafft einen Bastard, eine Emulsion:

Das Waschen als Akt der Säuberung bereinigt den Körper buchstäblich wie symbolisch. Schlechter Geruch und schlechte Körperhygiene sind Stigmata eines Hygienediskurses, der jene mit der Entstehung und Verbreitung von Krankheiten in Verbindung brachte. Wer rein ist, ist ein guter, ordentlicher Mensch. Das Waschwasser ist letztendlich die Brühe, die all den ungesunden, unmoralischen Dreck auffängt.

Das Kochen erfordert ein bestimmtes Wissen einer bestimmten Kultur und kann Ausdruck des Genusses und der Freude am Essen und/oder der Geselligkeit sein. Bossert bereitet eine Gemüsebrühe zu, in die ihr Körper ausdünstet und durch die sie gewaschen wird. Sie „würzt“ die Suppe ähnlich einem Bouquet garni, ist damit Teil des Gesamtaromas, ohne jedoch verspeist zu werden. Das Bindeglied zwischen dem Ekel gegenüber dem Waschwasser und dem Genuss des Essens ist in diesem Fall wohl die Perversion. Kann die Suppe wirklich nach Laura Bossert schmecken? Und wie schmeckt ein Mensch, schmeckt Laura Bossert? Die Künstlerin spielt mit den Anwesenden, verleitet sie zu probieren, ohne ein Wort zu sprechen. Nachdem die Suppe irgendwann zum Verzehr bereit ist, verteilt Bossert, noch immer in der Wanne sitzend, kellenweise Suppe an Interessierte, von denen manche nur Gemüse schmecken, andere behaupten, sie schmeckten mehr. 

Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage der Autorschaft auf eine neue Weise. Bossert gibt die Kontrolle über das Aroma der Suppe ab, insofern sie nicht weiß und nicht steuern kann, inwiefern sie sie würzt. Die Gerüche und Ausdünstungen des Körpers hängen schließlich von vielen Faktoren wie etwa Hormonhaushalt und Ernährung ab. Suppe unterscheidet sich von anderen künstlerischen Arbeiten, in denen es um das Kochen geht. Zwar ist auch bei Bossert das Zusammenkommen, sprich die soziale Komponente, ein zentrales Moment – es wird jedoch dann prekär, wenn sich die Frage nach dem Gericht stellt. Kurzum: Darf man die Suppe eigentlich essen, oder ist das schon eine leichte Form des Kannibalismus? Isst man hier Dreckwasser oder eine feine Brühe? Suppe ist geprägt vom Dazwischen, vom Für und Wider, von Moral und Perversion. Sie stellt die Frage des guten Geschmacks auf eine etwas andere Weise.

-Moriz Hertel

Fotos: Charlotte Kremberg und Anna Darmstädter

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